Eine der bekanntesten „Krankheiten“ beim Mercedes W126 ist Rost an der Heckscheibe. Doch wie viel Aufwand steckt hinter einer Reparatur und was kostet die Instandsetzung des Heckscheibenrahmens am Ende? 

Die majestätische S-Klasse der 80er Jahre ist als Coupé und Limousine technisch und blechseitig recht robust konstruiert. Kaufinteressenten, die sich in Saccos zeitlose Schönheit verliebt haben, sollten vor dem Kauf jedoch einen bestimmten Handgriff üben:

Das Abtasten des Blechs an der Oberseite des Kofferraums gehört bei jeder Besichtigung zur Pflicht, da der Heckscheibenrahmen als echter Schwachpunkt gilt. Je nach Ausmaß des Rosts kann eine Instandsetzung schnell sehr sehr teuer werden. Wenn sich bereits Bläschen um die Scheibe herum zeigen, ist Vorsicht geboten. Denn das wahre Ausmaß zeigt sich erst, wenn der Rahmen freiliegt. Wie das geht, zeigt eine weitere Werkstatt-Story von ClassicsRepair.

Als Beispiel dient hier ein 420 SEC aus der Schweiz, der zeitlebens in der Garage geparkt war. Obwohl das Blech nach gut 220.000 Km noch gut in Schuss ist und auch der Innenraum mit fast neuwertigem Gestühl prahlt, zeigen sich um die Heckscheibendichtung bereits verräterische Bläschen.

Hier herrscht Handlungsbedarf! Je länger der Rost ignoriert wird, desto weiter breitet er sich aus. Zudem dringt bei Regen bereits jetzt Feuchtigkeit ins Innere. Gewissheit gibt ein Blick unter das Blech auf dem die Scheibe sitzt – diese Stelle übersehen viele Besitzer einer alten S-Klasse beim Kauf häufig!

Mit einer Werkstattleuchte wird deutlich, dass sich das Wasser bereits seit längerem seinen Weg an der Dichtung vorbei gesucht hat und gerade dabei ist, das ganze Heck ins Verderben zu reißen – unter der Dichtung könnte es also mehr als nur ein paar Rostpickel geben.

Ausbau der Heckscheibe

Über das gesamte Ausmaß des Schadens kann momentan nur spekuliert werden. Klarheit bringt nur ein Ausbau der Heckscheibe. Dieser ist beim W126 nicht übermäßig kompliziert, verlangt aber ein wenig Feingefühl.

Im ersten Schritt entfernen wir die beiden Verkleidungen an den C-Säulen. Dies geht entweder mit einem Plastik-Keil, oder auch mit sanfter Gewalt von Hand. Angefangen wird dabei am besten oben rechts, lange Fingernägel sind von Vorteil.

Mit einem Kreuzschlitz kann man nun die Kabelverbindung der Heckscheibenheizung lösen. Da die Scheibe, anders als bei Frontscheiben, nicht verklebt ist, kommt nun ein Cuttermesser zum Einsatz. Damit lässt sich die innere Dichtung vorsichtig lösen.

Entfernen der Dichtung

Danach kann man die äußere Dichtung ebenfalls zerschneiden. In beiden Fällen muss man extrem darauf achten, den Lack um die Scheibe, oder die Scheibe selbst nicht zu verkratzen. Am besten klebt man das Blech einmal rundherum mit Klebeband ab.

Ist der Gummi mit dem Cutter auf beiden Seiten gelöst, lässt er sich zwischen Zierleiste und Scheibe herausziehen.

Um die Leiste herauszuhebeln wird nun das Verbindungsstück der beiden Heckscheibenleisten mit einem Plastik-Keil zur Seite geschoben. Nun ist ein Anfang gefunden, an dem sich die Zierleiste ausbauen lässt.

Wenn die Gummies herausgezogen bzw. getrennt sind, kann man die Zierleiste mit einem Montagewerkzeug aus Kunststoff sanft heraushebeln. Dabei muss einerseits wieder auf den Lack geachtet werden, andererseits auf die Leiste selbst, da diese sich sehr leicht verbiegt.

Diese Arbeit sollte man deshalb nicht ausführen, wenn man z.B. fünf Minuten zuvor eine saftige Rückzahlungsforderung des Finanzamtes in der Post hatte. Ruhiger Puls und Zeit sorgen für eine beulenfreie Ziereleiste.

Ohne die Leiste verliert die Scheibe ihren Halt – man kann sie nun vorsichtig herausnehmen. Damit die Reste der Dichtung nicht in den Innenraum fallen, empfiehlt es sich, den Rahmen mit dem Staubsauger vorher noch kurz zu reinigen.

Mit zwei Personen lässt sich die Heckscheibe nun einfach herausnehmen. Als Ablageort empfiehlt sich eine alte Decke. Tipp: Vor dem Ausbau prüfen, ob die Heckscheibenheizung funktioniert.

Tut sie dies nicht, ist die Gelegenheit zum Tausch der Scheibe zwar gut aber nicht günstig. Neue Heckscheiben sind relativ schwer zu bekommen und kosten über 500,- Euro. Gebrauchte ohne milchige Ränder sind ebenfalls selten. Also Scheibe vorsichtig entfernen und ablegen!

Ist die Scheibe dann entfernt, kann man den inneren Dichtungskeder einfach abziehen. Dabei offenbart sich erstmals der Zustand des Scheibenrahmens.

Viel Rost am Scheibenrahmen

Der ist in diesem Fall wie erwartet durchwachsen. An zahlreichen Stellen hat der Rost bereits massiv genagt. Doch es gibt auch positives zu berichten: betroffen ist nach der ersten Bestandsaufnahme nur die Auflagefläche der Scheibe.

Dabei ist der Schaden unter der Dichtlippe weitaus größer, als dies zunächst von außen den Anschein hatte. Der Ausbau der Heckscheibe war also höchste Zeit! Außerdem könnte unter der Hutablage weiteres Grauen lauern. Also ab zum nächsten Schritt.

Bestandsaufnahme des Blechs – Ausbau der Rücksitzbank

Die Korrosion kann so massiv ausfallen, dass der komplette Scheibenrahmen ausgetauscht werden muss. Der Ausbau der Hutablage zeigt den Zustand des darunter liegenden Blechs – auch hier könnte noch viel Arbeit warten. Dazu muss zunächst die Rücksitzbank demontiert werden, was beim Coupé sehr einfach gelöst ist:

Unten werden nur die roten Sicherungssplinte nach außen gedrückt, die Rückenlehne ist danach nur mit einer Metallklammer befestigt, die zur Seite geschoben wird.

Nach dem Ausbauen der Boxengitter (Achtung zerbrechliche Befestigungsclipse mit Hang zum Seperatismus) und der Aufbewahrungsklappen (drei Schrauben), kann die Hutablage vorsichtig herausgezogen werden.

Dieser Arbeitsschritt offenbart eine positive Nachricht: Der Rost hat sich bislang nur am Scheibenrahmen festgebissen. Das Blech unter der Hutablage ist intakt (die Pünktchen sind nur lose Rostpartikel vom Rahmen).

Somit reicht es, das Blech an der Oberseite des Kofferaums zu säubern und von beiden Seiten zu konservieren. Der Rahmen der Scheibe muss hingegen im unteren Bereich komplett saniert werden.

Hierzu geht die alte S-Klasse in nächster Instanz zum Karosseriebauer. Die Instandsetzung, sowie der Zusammenbau folgen im zweiten Teil.

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